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fritzstier

GOLD UND SPIELE

Wolfgang Kessler | Maler

6. September bis 5.Oktober 2024 im Kunsthaus, des Kunstvereins Viernheim

Wolfgang Kessler | Foto: Alexander Kästel


Am Freitag, den 06. September 2024, wurde eine herausragende Vernissage mit dem Künstler Wolfgang Kessler gefeiert. Die Einführung wurde durch den Vorsitzenden des Kunstvereins, Fritz Stier, sowie die Kunsthistorikerin Dr. Susanne Zeunert vorgenommen.

Im Folgenden werden einige Impressionen der Vernissage präsentiert. Im Anschluss findet sich die Rede von Dr. Susanne Zeunert.









Rede von Dr. Susanne Zeunert

Anlässlich der Ausstellung„Gold und Spiele“ von Wolfgang Kessler im Kunsthaus Viernheimam 6.09.24

Liebes Publikum des Kunsthauses Viernheim,

Ich freue mich, Sie heute Abend hier zu dieser Ausstellung begrüßen zu dürfen und Sie in das Werk von Wolfgang Kessler einzuführen. Wolfgang Kessler, Jahrgang 1962, studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig und schloss das Studium 1988 als Meisterschüler und Assistent von Ben Willikens ab.Gefordert durch zahlreiche Stipendien und Preise arbeitete er einige Jahre in Venedig, Bamberg, Florenz und an anderen Orten. Heute lebt und arbeitet er in Detmold.

Seine Bilder wurden in nationalen und internationalen Galerien gezeigt. Ganz besonders hervorheben möchte ich, dass er 2016 in der National Portrait Gallery in London ausgestellt wurde.Das ist so etwas wie die Hall of Fame der Porträtmalerei und dort gezeigt zu werden, kommt einem Ritterschlag gleich. Es ist so etwas wie die Aufnahme in den kunsthistorischen Olymp zu Lebzeiten.

Wir freuen uns den Olympier hier zu haben!



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Im Fokus unserer Ausstellung „Gold und Spiele“ hier in Viernheim stehen zwei neue Werkzyklen. Vielleicht haben Sie diese beim ersten Schauen schon bemerkt. Zum einen hier im Erdgeschoss im hinteren Bereich der Zyklus „Schatzkammer“ mit großformatigen Gemälden, die Jugendliche vor schwarzem Hintergrund, scheinbar schwebend, in goldene Rettungsfolien gehüllt zeigen. Zum anderen ist im oberen Stockwerk die Serie „Phantome“ zu sehen. Bilder von surreal wirkenden „Übungsköpfen“, an denen Verbindungsstudenten das Mensurenschlagen proben.Darüber hinaus sind einzelne neuere Werke in Öl und Aquarell ausgestellt. Der Titel dieser Ausstellung, „Gold und Spiele“, weckt Assoziationen:„Gold“ steht für Schönheit, für das Edle und Wertvolle und die Materialität der Gegenstande. Wahrend „Spiele“ auf die dargestellten Personen, was sie tun oder vermeintlich tun und auf ihre rätselhafter Interaktion hinweist. Wenn Sie sich den Bildern vielleicht schon zugewandt haben und dabei interessiert, fasziniert oder sogar irritiert waren, dann hat Wolfgang Kessler genau das erreicht, was er wollte. Sie zu locken und in den Bann zu ziehen. Kesslers Lehrer, Ben Willikens, der Meister der grauen, menschenleeren Räume hat seinen Schülern mit auf den Weg gegeben:„Ihr schafft leere Gefäße und das Publikum muss sie dann füllen.“Willikens entleert in seinen Bildern meist geschichtsträchtige Räume und reduziert diese auf ein Gerüst, ohne jegliches Figurenpersonal. Er gibt dem Betrachter somit Raum für Assoziationen.



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Kessler negiert hingegen den Raum und schafft durch die Figuren und Gegenstände, die er nebeneinanderstellt, ein Beziehungsgeflecht, das der Betrachter dann mit Inhalt füllen kann.

In der Technik bewegt sich Wolfgang Kessler auf klassischem Terrain.Er malt meist in Öl in einer intensiven Auseinandersetzung mit Licht und Schatten. Vor schwarzem oder dunklem Hintergrund sind die Motive detailliert und minutiös genau dargestellt.Dabei spielt er mit der Schärfe im Bild, alle Partien sind komplett durchgemalt. Meist kommt von außen ein Hauptlicht von der Seite und manchmal ist auch im Bild eine Lichtquelle vorhanden, die dann aber nur ein weiches zurückhaltendes Licht spendet.

Wie er das umsetzt, sehen Sie zum Beispiel an den Bildern der Serie „Schatzkammer“: Zu sehen sind junge Menschen scheinbar schwerelos schwebend im schwarzen Nichts, umhüllt von goldenen Rettungsfolien, deren kleinteilige Faltung die Oberfläche in kleine Rechtecke teilt, die unterschiedliche Lichtbrechungen reflektieren. Kessler spielt mit dem Kontrast der verschiedenen Materialien.Weich sind die Haut, die Haare oder die Daunenjacke, hart dagegen die knisternde Folie. Scheinbar schwer ist das Material Gold, das die Assoziation von vielen kleinen Goldbarren oder eines voluminösen Goldklumpens weckt. Kessler spielt mit den Widersprüchen.Hier ist nicht das Gold das Kostbare, sondern das, was eingehüllt ist.

Kesslers frühe Bilder sind bei natürlichem Licht entstanden. Heute macht er sich zunehmend vom natürlichen Licht unabhängig und arbeitet mit Scheinwerfern oder auch mit einer Blitzanlage, die die gewünschten Reflexe auf die Fotos, auf denen die Bildidee festgehalten wird, bringt.


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Die Anregungen zu den Bildern stammen oft von Fundstücken, die ihn ästhetisch fasziniert haben, wie hier zum Beispiel die Rettungsdecke. Oder aus literarischen Quellen. Wie sie in dem Bild „Umsicht“ im oberen Stockwerk sehen können. Darauf ist eine kniende junge Frau mit Fellmütze und einem Scheinwerfer, die sich gerade umsieht, zu sehen. Die Anregungen zu dem Bild hat Kessler ganz konkret aus der Romanlektüre von „Stern 111“ von Lutz Seiler bezogen. Die Handlung spielt in der Wendezeit. Es geht um Freiheit und Verlust und den Versuch, sich in einer neuen, unsicheren Welt zurechtzufinden. Wie die Frau auf dem Bild oben zurückschaut, schaut Carl, der Protagonist des Buches in seinem Leben zurück. Die Frau auf dem Bild hält einen schwachen Scheinwerfer nach vorn und so weiß Carl auch nicht sicherer, wohin es für ihn geht. Oft kommen die Anregungen zu Wolfgang Kesslers Bildern aber auch aus ihm selbst heraus, ohne dass er sagen könnte, woher die Ideen kommen. Die Bildidee wird im Atelier mit Modellen, früher hauptsächlich mit seiner Tochter, jetzt auch mit deren Freunden und Freundinnen, nachgestellt. Dieses Arrangement fotografiert er dann in vielen Varianten, bis er das treffendste Motiv gefunden hat. Dieses malt er dann, manchmal eins zu eins oder auch in reduzierter Form.

Als intellektuell äußerst neugieriger Mensch nimmt Kessler eine Unmenge von Bildern, oder auch Literatur in sich auf, filtert diese und bündelt sie zu seinen Ideen. Für die Bildinhalte bedient er sich gesellschaftsrelevanter Fragen, die er verklausuliert und verschlüsselt.



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Kesslers Werk steht in einer Tradition kunsthistorischer Einflüsse, wie Sie an jedem einzelnen seiner Bilder sehen und nachvollziehen können.Maler wie Caravaggio, Antonello Da Messina, Georges de La Tour, Gerard ter Borch und andere haben ihn mit ihrer Bühnenhaftigkeit, Theaterbeleuchtung, ihrem Einsatz des Hell-Dunkel, dem sogenannten Chiaroscuro und ihrer genauen Widergabe der Stofflichkeit inspiriert. Die kunsthistorischen Vorbilder verdeutlichen Kesslers Herangehensweise und Absichten:Er verwendet, wie Georges de La Tour in seinen Nachtstücken, künstliches Licht. Dadurch wirken die Personen wie aus Zeit und Raum gelöst. Wie Antonello Da Messina nutzt er den dunklen Hintergrund, um die Figuren hervorzuheben und ihre Gesten und Emotionen intensiv zu betonen.Und wie Caravaggio versetzt er sein Bildpersonal in extreme Nähe und Untersicht, wie auf eine Bühne mit Theaterlicht.

Die Niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts steht Pate für seine Materialverliebtheit, das heißt die Stofflichkeit der Dinge, deren Feinheiten Kessler in ihrer ganzen Vielfalt widergibt.Ganz bewusst greift er diese Ausdrucksmittel auf und bewegt sich innerhalb der Techniken seiner Vorgänger. Sie bereichern ihn und geben ihm ein breites Spektrum von Ausdruckssteigerungen. Er sagt selbst: „Wir sind Zwerge auf den Schultern von Riesen“. In dem Bild „Die Herkunft“ von 2022, das Sie hier vorne an der Stirnwand sehen, zeigt Kessler eine junge Frau, seine Tochter, in strenger Schönheit in einem schwarzen Kleid aus Samt und Organza.In ihrer rechten Hand hält sie den blanken Schädel eines Schafes. Der einzige starke Farbakzent ist das hellblaue Bändchen an ihrem rechten Handgelenk. Das noch am Arm verbliebene hellblaue Bändchen vom Club- oder Konzertbesuch am Vorabend kontrastiert mit der Überhöhung des Porträts in Zeitlose – ein gewollter und für Kessler typischer stilistischer und inhaltlicher Bruch.Sie ist als Kniestück, in extremer Untersicht und Nähe, überdimensional groß dargestellt und erinnert damit an eine antike Göttin.